17.0 In der Textilfabrik - überraschende Freundlichkeit

In der russischen Gefangenschaft
Habe ich eine Zeit lang in Riga verbracht.
Es war üblich, dass man dann und wann
An die verschiedensten Arbeitsplätze kam.
So landete ich, ohne dass man nachdenkt oder es merkt,
als Woyna Plenni (Kriegsgefangener) in einem Textilwerk.
Da gab es eine große Weberei
einige von uns waren beim Färben dabei,
auch beim Spannen und beim Legen
Waren Gefangene zugegen.
Zu zweit wurden wir ins Stofflager gebracht
und haben dort unsere Arbeit gemacht.
Da wurde nach Farben geordnet und registriert,
damit sich Ja kein Ballen verliert.
Beaufsichtigt hat uns ein älterer Herr
Er kam aus der Gegend vom Peipus-See her.
Das war in Ordnung, wir hatten zu tun,
Viel Zeit gab es nicht, um auszuruh'n.
Dieser Mann, ein Jude, brachte uns, kaum zu beschreiben
täglich zum Frühstück Brot mit, für jeden drei Scheiben.
Er sprach recht gut deutsch, so konnte ich ihn fragen:
Können Sie mir, bitte, einmal sagen
Sie haben Mitleid mit uns, ich könnte verstehen,
Wenn Sie uns aus dem Wege gehen.
Ja, sagte er, es gab Schreckliches, das muss man sagen,
meine Familie ist nicht mehr, wurde erschlagen,
erschossen oder vergast, ich weiß es nicht,
Aber hat das heute noch Gewicht?
Haben Sie persönlich einen Juden umgebracht,
Oder einen verspottet oder verlacht?
Ich sagte: Das kann ich mit reinem Gewissen verneinen!
So habe ich Sie auch eingeschätzt, will ich meinen.
Nun nehmen Sie doch noch, bitte sehr,
dabei schob er mir noch von seinem Brot her.
Dann sagte er noch, einen Sohn habe ich, ich liebe ihn.
Er ist Soldat, vielleicht ist jemand auch nett zu ihm.
Dieses Gespräch, welches wir gemeinsam geführt
hat mich in meinem Innersten ganz tief berührt.
Ich wünsche diesem Menschen von ganzem Herzen
Ein friedvolles Leben ohne Sorgen und Schmerzen.


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