14.0 Alltag in der Gefangenschaft - schwere Enttäuschung

Die Marschgruppe mit etwa achttausend Mann
kam müde und ermattet in Windau an.
Dort war inzwischen einiges geschehen
man konnte das Lager schon aus der Ferne sehen
da wurde uns allen im Magen flau,
ringsum vierfacher Stacheldrahtverhau,
Voller Wanzen die wenigen Baracken, die vorhanden,
die hatte man uns zugestanden.
Da hieß es, neue zu erstellen,
es gab ja Handwerker, Meister und Gesellen.
Material schaffte man ran,
damit die Arbeit beginnen kann.
Das frische Holz, was jeder verstehen kann,
im Sommer fingen die Bretter zu schrumpfen an.
Mit Moos und Papier wurden die Ritzen verfüllt
damit der Frost den Raum nicht all zu sehr kühlt
Ein jeder hatte einen Pritschenplatz von 40 cm Breite,
zum Liegen geeignet nur auf der Seite.
Selbstverständlich war das russische Bestreben,
die Gefangenen zu integrieren in das Arbeitsleben.
Es wurde gewerkt im Hafen und Maschinenhallen
in Sägewerken und bei russischen Dienststellen vor allem.
Die Arbeit im Hafen war schwer, doch interessant,
weil sich dort jede Menge an Verwertbarem fand.
So wurde geklaut Jahr um Jahr,
was nicht niet- und nagelfest war.
Zucker aus Deutschland, Tabak und Kaffee aus Amerika,
Waren beste Handelswaren, fürwahr.
Mir ging es gut, es war mir sehr lieb,
Ich arbeitete im Fisch-Verarbeitungsbetrieb.
Im Lager wurde der Handel organisiert
viele Woijna Plenni (Kriegsgefangener) haben davon profitiert.
Die Russen haben es immer verstanden,
dass Gruppierungen nie zueinander fanden.
Durch stete Verlegung in andere Lager hin und her,
kannte bald niemand niemanden mehr.
So vernahm ich später durch Hörensagen,
dass einige in etwa zwanzig Lagern waren.
Doch eines Tages war das Schlaraffenleben vorbei,
bei einer Verlegung war auch ich dabei.
Mich traf es daher wie mit einem Keulenschlag,
An den ich gar nicht mehr denken mag.
Als ich mich im neuen Lager umgesehen,
war es um meine Zuversicht geschehen.
Hier gab es nur Arbeit mit Steinen und Erde zumeist,
da merkte ich es erst richtig, was "hungern" heißt.
An Kleidung war nur, was wir am Körper getragen,
Schwerste Arbeit gab es mit stets leerem Magen.
Jetzt möchte ich gerne, das sei mir zugestanden,
Erklären, was wir an täglicher Verpflegung vorfanden:
Drei Mal zweihundert Gramm Brot am Tag, halb flüssig wie Brei,
keinerlei Fett oder Beilagen dabei,
Mittags etwa dreiviertel Liter Suppe ohne feste Substanz.
Und ohne weitere Zutaten, das war es schon fast ganz
Mit ein paar Graupen oder Kartoffeln am Grund.
Sage mir einer, das Essen sei gesund!
Im Sommer waren es Brennnesseln im Wasser aufgekocht,
das hat man noch viel weniger gemocht.
Ein weiteres Lager, zu dem ich geschoben,
konnte man auch bei bestem Willen nicht loben,
Nach Riga war ich inzwischen versetzt,
da wurde eine Brücke auf neue Pfeiler gesetzt.
Das zweite Arbeitskommando, die Reparatur einer Werft,
auch diese Arbeit hat total genervt.
Des weiteren hat man eine Werkzeugfabrik gebaut,
auch dazu sind sicher einige Worte erlaubt:
Die Düna durchfließt die Stadt Riga
und so sind auch mehrere Inseln da,
Auf einer davon sollte die Fabrik entstehen
und nun ist Folgendes geschehen.
Logisch war es, dass Steine, Zement und Kies
per Schuten kamen, wenn der Wasserstand es zuließ.
Dass aber Schiffe leck waren,
Haben wir beim Ausladen erfahren
bis auf die obere Schicht war der Zement hart wie Stein
Wir kippten gleich alles in die Düna hinein.
Zu einem anderen Lager gehörte ein Textilwerk.
Auch dort richtete man das Augenmerk
Auf billige deutsche Arbeitskraft,
darum wurden wir dorthin geschafft.
Ich kam in den Raum, in dem die fertigen Stoffballen lagen,
auch da knurrte mir, wie üblich, der Magen,
Aber ein Jude, dem die Verwaltung oblag,
gab mir täglich von seinem Frühstücksbrot ab.
Die Familie war ihm durch die Judenverfolgung genommen
und trotzdem habe ich von ihm Brot bekommen.
Ich sagte: Auch ich war ein Teil unserer Armeen,
deshalb könne ich es verstehen,
Wenn er jetzt Rache nehme und mich schikaniert,
bis mir das Blut in den Adern gefriert.
Er darauf: Mein Sohn ist Soldat und vielleicht in Not,
vielleicht gibt jemand auch ihm ein Stück Brot.
Oft habe ich voller Dankbarkeit an diesen Mann gedacht
Ob er noch lebt, was er wohl macht?
Dann war wieder ein schlechtes Lager dran,
doch ich gewöhnte mich langsam daran.
Inzwischen schrieben wir neunzehnhundertachtundvierzig
Ich weiß es nicht, wie schwer ich war, wir wurden nicht gewogen,
bald war ich aber nur ein Knochengerüst, mit Haut überzogen,
zur Arbeit nicht mehr nütze, ich sollte heim,
darum eilig in das Lager Ogre hinein, das war schon
Vor der Rückfahrt die letzte Auffangstation,
täglich hieß es, die Waggons kommen bald,
das hier ist euer letzter Aufenthalt.
Stets kamen russische Abordnungen aus anderen Bereichen
um das morbide Menschenmaterial mit ihren Gefangenen zu vergleichen.
Und so fand man mich noch nicht so herunter gekommen.
Man hat mich sofort aus dem Heimkehrerlager genommen.
Diese Enttäuschung hat mich an den Rand der Verzweiflung gebracht, -
Dass man so erschüttert sein kann, hätte ich nicht gedacht.
Auf den Gesundheitszustand hat man doch wohl Rücksicht genommen,
denn ich habe fortan nur leichte Arbeit bekommen.


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